Kaum ein Kosmetiksegment wirbt mit vollmundigeren Schlachtrufen als das der Anti-Aging-Produkte. Schon im zarten Alter von 25 sollte Frau am besten mit der Antifaltenvorsorge beginnen, spätestens mit 30 bestehe akuter Handlungsbedarf, propagieren die Hersteller. Ganze Serien werden entwickelt, die tagsüber und nachts, für jede Gesichtspartie und in jedem Alter, für alle Hauttypen und jedwede Faltentiefe das passende Rundum-sorglos-Paket bieten wollen.
Auf diesen Zug ist auch die Naturkosmetikbranche aufgesprungen, denn auch ihre Zielgruppe wird dank des demografischen Wandels immer älter. Insgesamt ist laut den Marktforschern der Information Resources GmbH (Iri) der Umsatz im Naturkosmetiksegment Gesichtspflege im Jahr 2014 um 12,6 Prozent gestiegen - Anti-Age und die Pflege für reife Haut seien dabei die größten Wachstumstreiber, so Iri-Mitarbeiterin Kristina Thum. Ein großer Teil davon entfalle auf kleine und neue Marken, die in der Statistik allerdings nicht einzeln erfasst seien.
An großen Worten sparen auch die Naturkosmetikhersteller nicht. So verspricht etwa der Anbieter der Tages- und der Nachtcreme von Dr. Scheller "maximale Anti-Aging-Wirkung", der Anbieter der Mádara Time Miracle Tagescreme gar eine stimulierte "Produktion der ,Jugend-Proteine'" und - wie auch für das Pendant für die Nacht - schlicht einen Effekt "als hätten Sie die Zeit zurückgedreht". Doch wie groß dürfen die Worte eigentlich sein? Dieser Frage hat sich vor drei Jahren die EU-Kommission gewidmet und schärfere Kriterien für Werbeaussagen festgelegt. Unter anderem dürfen Werbeversprechen zur Wirkung eines Produkts demnach "nicht über das hinausgehen, was die vorhandenen Nachweise belegen" - das müssen die Hersteller den Behörden in Form von Wirksamkeitsstudien beweisen. Diese dienen allerdings in der Regel nur dem "Claim-Support", sie belegen also nur genau so viel, wie auf Grundlage der Studienergebnisse so hochtönend wie möglich und so schwammig wie nötig formuliert wird.
Dass ein Produkt mithilfe feuchtigkeitsspendender Inhaltsstoffe die Haut etwas aufpolstert und so kleine Fältchen und eine raue Hautstruktur kurzzeitig optisch verschwinden lässt, darf man sogar glauben. Doch das kann eine gute Feuchtigkeitscreme auch - und kostet dabei häufig weitaus weniger. Das allerdings wird auf der Verpackung nicht zu lesen sein. Und letzten Endes sollte sich die Verbraucherin ohnehin die Frage stellen: Wären die Botoxindustrie und all die Schönheitschirurgen nicht längst arbeitslos, wenn man den Falten tatsächlich nur mit ein paar Cremes beikommen könnte?
Einige Substanzen könnten zwar durchaus "über Feuchtigkeit kleine Knitterfältchen ausgleichen", Pigmentflecken beeinflussen oder gegen freie Radikale wirken, erklärt Professorin Christiane Bayerl, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie an der Dr. Horst Schmidt Klinik Wiesbaden. Radikalfänger, zum Beispiel das Coenzym Q10 und Vitamin E, die auch in d...