Aktualisiert am 18.10.2018; Einkauf Testprodukte Sept 2017 | Jeder Mensch kennt Zeiten, in denen sich die Welt grau anfühlt. Doch eine Depression im medizinischen Sinne ist mehr als ein vorübergehendes Stimmungstief. Laien setzen "depressiv" häufig mit zeitweiliger Traurigkeit oder schlechter Laune gleich. So glaubt fast jeder Fünfte, dass sich Betroffene einfach zusammenreißen sollten und dass Schokolade die psychische Störung heilen kann. Das ergab eine Befragung der Stiftung Deutsche Depressionshilfe von mehr als 2.000 Erwachsenen.
Johanniskraut-Test: Pflanzliche Antidepressiva im Vergleich
Schokolade hilft nichts. Aus dem Seelentief retten meist nur professionelle Hilfe und Medikamente. Den Erkrankten fällt es oft schwer, überhaupt etwas zu empfinden. Sie spüren nichts als innere Leere. Laut dem Robert-Koch-Institut zählen Depressionen zu den häufigsten psychischen Leiden. Innerhalb eines Jahres erkranken demnach bundesweit etwa 6,2 Millionen Menschen an einer behandlungsbedürftigen depressiven Episode. Frauen trifft es häufiger als Männer. Sie suchen meist aber auch schneller Hilfe.
Eine Depression entwickelt sich meist schleichend. Betroffene sind niedergeschlagen und antriebslos. Sie leiden unter diffusen Kopf- oder Nervenschmerzen, Schlafstörungen, körperlicher Kraftlosigkeit und haben wenig Appetit. Auch Störungen von Magen, Darm sowie Herz und Kreislauf können auf die Krankheit hinweisen. Ärzte und Therapeuten sprechen erst dann von einer Depression, wenn sich jemand länger als zwei Wochen dauerhaft bedrückt und niedergeschlagen fühlt.
Depression alternativ mit Johanniskraut behandeln
Typisch ist es, in dieser Zeit das Interesse an ansonsten wichtigen Aktivitäten zu verlieren, die sonst Freude bereiten. Etwa an Hobbys, der Familie oder der Arbeit. Auch der innere Antrieb ist bei einer Depression zunehmend gehemmt. Betroffene ermüden bereits durch kleine Alltagsaufgaben. So fällt es ihnen etwa schwer, aus dem Bett zu kommen, zu telefonieren oder außer Haus zu gehen. Daneben leiden Depressive häufig unter verminderter Konzentration und Aufmerksamkeit. Gefühle von Wertlosigkeit, Schuld sowie Perspektivlosigkeit stellen sich ein. Die Vorstellung, der als ausweglos empfundenen Situation irgendwie zu entkommen und sei es durch Selbstmord, ist ebenfalls symptomatisch.
Eine Behandlung zielt vor allem darauf ab, die depressive Phase zu durchbrechen. Es geht darum, den oft erheblichen Leidensdruck zu mindern und die Teilnahme am Leben zu sichern. Dabei gilt es, akute Angst, Unruhe, Schlafstörungen und Suizidgefährdung zu lindern und Rückfälle zu verhindern. Wichtiger Pfeiler der Behandlung ist die Psychotherapie. Verläuft die Krankheit mittelgradig oder schwer, verschreiben Ärzte zudem chemische Antidepressiva. Für einen ersten Therapieversuch bei leichten bis mittelschweren Phasen gelten auch Extrakte aus Johanniskraut als Alternative.
Johanniskraut-Test: Laif 900, Jarsin & Co. bewertet
Ganze 16 Millionen Euro setzte die Pharmabranche 2016 laut Ims Health mit rezeptfreien Johanniskrautmitteln um. Können sie wirklich helfen? Wir haben 20 Produkte eingekauft und einen und einen Gutachter gebeten, die Studienlage zur Wirksamkeit zu sichten. Zudem haben wir einen kritischen Blick auf die Hilfsstoffe geworfen.
Das Testergebnis: Vier rezeptfreie Arzneien aus der Apotheke können wir mit "sehr gut" empfehlen, sieben mit "gut". Die frei verkäuflichen traditionellen pflanzlichen Mittel schneiden mit "mangelhaft" ab.
Die Trockenextrakte aus Johanniskraut in den empfehlenswerten Präparaten gelten als wirksam. Sie können bei leichten bis mittleren depressiven Störungen helfen. Dies bestätigen aktuelle Übersichtsarbeiten zur Forschungslage. Allerdings wurden nur die Spezialextrakte in den vier "sehr guten" Produkten in eigenen klinischen Studien untersucht.
Johanniskraut-Dosierung muss ausreichend sein
Für die "guten" Mittel mit Johanniskraut im Test fehlen solche direkten Wirknachweise. Die Europäische Arzneimittelbehörde erkennt aber auch ihre Rezepturen und Herstellungsverfahren als medizinisch wirksam und durch Studien belegt an. Die guten Produkte im Test sind ausreichend hoch dosiert. Die Tageseinheiten betragen 500 bis 1.000 Milligramm Extrakt. Damit entsprechen sie der Empfehlung der aktuellen wissenschaftlichen Leitlinie zur unipolaren Depression.
Die Wirkung der "mangelhaften" Johanniskraut-Präparate im Test ist nicht belegt. Weder bei geistiger Erschöpfung noch bei depressiver Verstimmung. Für Effekte ihrer verschiedenen Johanniskrautrezepturen fehlt es an wissenschaftlichen Daten. Auch liegt der Wirkstoffgehalt, wenn überhaupt angegeben, durch die Bank unter den Tagesdosierungen, die als effektiv gelten. Die Anbieter dürfen die getesteten Produkte dennoch als "traditionelle pflanzliche Arzneien" verkaufen. Aber nur, weil die eingesetzten Rezepturen bereits seit mehr als 30 Jahren in der EU verfügbar sind.
Wechselwirkungen von Johanniskraut beachten
Mittel mit Johanniskraut können die Wirksamkeit anderer Arzneien abschwächen. Sie beeinflussen etwa den Effekt von Gerinnungshemmern, Asthmamitteln, der Antibabypille sowie von Präparaten, die in der Aidstherapie die Virusvermehrung bremsen. Die Beipackzettel der "guten" und "sehr guten" Arzneien informieren umfänglich über solche Wechselwirkungen. Die frei verkäuflichen Mittel im Test sind so niedrig dosiert, dass keine Wirkung und folglich auch keine Nebeneffekte auf andere Arzneien zu erwarten sind. Entsprechende Hinweise sind daher entbehrlich.
Verzichtbar: In einem Johanniskraut-Präparat im Test steckt der Farbstoff Ponceau 4R. Er kann laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte allergische Reaktionen hervorrufen. In zwei weiteren Mitteln im Test findet sich das umstrittene Färbemittel Chinolingelb.
Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Magazin Februar 2018 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben zuletzt für das Jahrbuch 2019 im Oktober 2018, sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.