10 Wanderstiefel im Test

Des Müllers Frust

ÖKO-TEST Jahrbuch für 2013 | | Kategorie: Freizeit und Technik | 19.10.2012

10 Wanderstiefel im Test

Wer nicht aufs Dach der Welt kraxeln will, greift zum soliden, aber leichten Wanderstiefel. Lesen Sie, welche der zehn geprüften Modelle ihre Träger im Gelände nicht hängen lassen. Und was alles an Schadstoffen drinsteckt, ist nach unserem Test auch kein Geheimnis mehr.

Ganz gleich wie und wo gewandert wird. Eines benötigen Wanderer immer: solide Wanderstiefel. Wir haben zehn Modelle für den ambitionierten Wanderer, der aber nicht unbedingt in Geröllfeldern oder auf Klettersteigen unterwegs sein will, einer Praxisprüfung unterzogen. Außerdem untersuchten Labore, welche Schadstoffe im Material stecken.

Das Testergebnis

Die meisten Wanderschuhe im Test überzeugen in der Praxisprüfung. Mit diesen Modellen erlebt der Käufer im Einsatz draußen auf und neben dem Wanderweg keine böse Überraschung. Wenig erfreulich sind dagegen die Schadstoffgehalte der zehn Produkte: Beim Test Inhaltsstoffe fallen alle Prüflinge glatt durch. Sie stecken randvoll mit bedenklichen oder umstrittenen Inhaltsstoffen.

Natürlich sind Wanderstiefel nicht wasserdicht, sonst wären es ja Gummistiefel. Aber trotzdem sollten Wanderstiefel Feuchtigkeit eine gewisse Zeit lang trotzen. Acht Wanderschuhe bestanden die Prüfanforderungen und ließen 180 Minuten lang kein Wasser in den Schuhinnenraum. In den Schuhen Meindl Jersey Lady Pro und Hanwag Canyon II Terra Care Frauen gab es dagegen feuchte Füße.

Wer stundenlang über Stock und Stein geht, benötigt eine widerstandsfähige Sohle. Und bei der darf auch ein spitzer Stein nicht gleich zu starkem Einreißen des Materials führen. Diese Situation simulierte in der Praxisprüfung ein Stich mit einem spitzen Dorn in die Sohle. Beim Modell Merrell Moab Mid riss daraufhin die Sohle des rechten Schuhs um 13 Millimeter ein. Sechs Millimeter darf ein solches Loch laut Prüfanforderung ausreißen. Doch die Sohle des rechten Schuhs riss auch am Profilansatz seitlich sieben Millimeter tief ein. Laut Prüflabor wäre solch ein Riss ein Reklamationsgrund.

Im Bereich der Ferse muss der Innenschuh des Wanderstiefels einiges aushalten. Bei der Überprüfung, wie beständig das textile Fersenfutter oder das dort verarbeitete Leder bei ständigem Scheuern durch die Socken ist, lieferten acht Wanderstiefel im Test keinen Grund zur Klage. Bei den durchgeführten Scheuerversuchen zeigten sich am Material nur akzeptable Verschleißerscheinungen. Beim Modell Hanwag Canyon II Terra Care Frauen war das Material nach der Hälfte der durchgeführten nassen "Scheuertouren" beschädigt. Punktabzug gab es auch für den Jack Wolfskin Trail Master Texapore Men. Das Futter dieses Stiefels war nach den Scheuerversuchen deutlich angescheuert. Und wie bei Wollpullovern hatten sich Knoten im Stoff gebildet.

Neun von zehn Stiefeln enthalten erhöhte oder stark erhöhte Gehalte an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) - geprüft wurde nicht die Laufsohle, sondern die verarbeiteten Materialien der anderen Schuhbestandteile. Von den PAK sind viele Vertreter krebserregend.

Ein weiteres Problem: Anilin. Es steckt in fünf der zehn Modelle. Der krebsverdächtige Stoff ist nicht verboten wie andere sogenannte aromatische Amine. Dennoch werten wir streng ab.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

So haben wir getestet

Der Einkauf

Wir haben zehn Wanderstiefel bekannter Outdoorausrüster in Fachgeschäften und im Internet eingekauft. Bei den Modellen handelt es sich um sogenannte Leichtwanderstiefel. Es sind knöchelhohe Schuhe, die für anspruchsvollere Wanderungen im Mittelgebirge und leichte Trekkingtouren im Gebirge gedacht sind. Alle Produkte im Test gibt es sowohl für Männer als auch für Frauen. Sie unterscheiden sich dann eventuell in der farblichen Gestaltung. Der Aufbau und die verwendeten Materialien sind aber gleich. Alle Produkte besitzen Gummisohlen. Darüber sind verschiedene Funktionstextilien und Leder verarbeitet. Der günstigste Schuh kostet 99,95 Euro, der teuerste 199,95 Euro.

Garantie und Reparaturmöglichkeiten

Wir haben bei den Anbietern nachgefragt, ob sie über die gesetzliche Gewährleistung hinaus noch freiwillige Garantien auf den Wanderstiefel oder Teile des Produkts geben. Außerdem interessierte uns, welche Komponenten des Schuhs repariert werden können.

Die Praxisprüfung

Wasserdichtheit: Niemand möchte nach einem Marsch über eine nasse Wiese oder durch einen Regenschauer den Rest der Tour mit feuchten Füßen fortsetzen. Deshalb ließen wir im Labor die Wasserdichtheit der Wanderstiefel untersuchen. Die Experten prüften gemäß dem Verfahren der technischen Lieferbedingungen der Bundeswehr. Dabei wird der Schuh auf einen Kunstfuß aufgezogen und in einem Gehsimulator befestigt. Diese Vorrichtung befindet sich in einer Wanne, die so weit mit Wasser gefüllt ist, dass der Wasserspiegel ein bis zwei Zentimeter über den Sohlenrand des ungebogenen Schuhs reicht. Der Gehsimulator wird in Gang gesetzt und läuft drei Stunden lang. Während der Prüfung wird der Schuhinnenraum ständig auf einen Wassereintritt hin überwacht.

Haftung der Laufsohle am Schuh: Mindestens so ärgerlich wie feuchte Füße ist eine Schuhsohle, die sich irgendwo in der Wildnis plötzlich vom Schuh löst. Das Ablösen einer Laufsohle ist übrigens einer der häufigsten Gründe für Reklamationen. Um zu erfahren, wie "treu" die Laufsohle der getesteten Produkte zum Restschuh hält, spannte das Prüflabor die Schuhe auf einen Leisten. Den platzierten sie auf der Zugprüfmaschine. An der Spitze der Sohle befestigten die Tester nun eine Abreißklemme. Anschließend stellten die Experten die Kraft fest, bei der sich die Sohlenspitze vom Schuh gelöst hatte. Danach riss die Maschine die Sohle vom Schuh ab. Dabei kontrollierten die Prüfer die Haftung im Spitzen-, Ballen- und Gelenkbereich.

Biegeverhalten der Laufsohle: Auch das Biegeverhalten der Laufsohle ist entscheidend. Denn eine gerissene Sohle ist ebenso ärgerlich wie eine abgefallene. Prüfen ließen wir das Biegeverhalten in einem Dauertest. Um zu erkennen, ob die Sohle schnell unbrauchbar wird, wenn man auf einen spitzen Stein getreten ist, stachen die Tester einen Dorn in die Sohle und dokumentierten das Wachstum des Risses. 30.000-mal bog eine Maschine die Sohlen des Schuhpaares.

Stabilität der Schnürteile: Beim Schnüren des Wanderstiefels wirken enorme Kräfte auf Haken, Ösen und Schlaufen. Da ein ausgerissenes Schnürteil den Halt des Fußes im Stiefel deutlich schwächen kann, ist eine zerstörte Öse keine Kleinigkeit. Die Stabilität der Schnürteile prüften die Tester, indem sie einen Schnürsenkel durch diese Komponenten zogen und eine Maschine am Schnürsenkel ziehen ließen.

Scheuerbeständigkeit des Fersenfutters: Auch im passenden Wanderstiefel ist der Fuß in Bewegung. Die Ferse rutscht am Futter entlang, scheuert am Stoff. Um zu testen, wie lange das Material dem Socken standhält, führte ein Labor einen Scheuerversuch im Dauertest durch. Dabei wird ein Stück des Fersenfutters gegen einen Baumwollstoff gerieben. 51.200-mal scheuerten die Prüfer trockenen Baumwollstoff gegen das Fersenfutter, 12.800-mal nassen. So simulieren die Tester den trockenen und den nassen Socken im Schuh.

Die Inhaltsstoffe

In Wanderschuhen sind eine Vielzahl von Materialien verarbeitet. Dementsprechend umfangreich war das Prüfprogramm. Wir ließen die Labore nach Verbindungen suchen, die in Kunststoffen vorkommen, wie Weichmacher, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe oder zinnorganische Verbindungen. Schädliche Substanzen, die durch die Lederverarbeitung und -ausrüstung im Material stecken können, sind Chrom VI sowie Chlorkresol und -paraffine. Auch nach krebserregenden Farbstoffen ließen wir suchen. Dabei konzentrierten wir uns auf die verarbeiteten Materialien, mit denen der Träger in Berührung kommen kann. Deshalb verzichteten wir auf eine Untersuchung der Laufsohle - mit Ausnahme der Prüfung, die klärt, ob chlorierte Kunststoffe in der Laufsohle stecken.

Die Bewertung

Wanderstiefel sind eine Investition für viele Jahre und sollten lange halten. Umso wichtiger ist es, dass der Schuh im Gelände überzeugt. Deshalb geht die Praxisprüfung zu 60 Prozent, das Testergebnis Inhaltsstoffe zu 40 Prozent in das Gesamturteil ein. So kann ein Schuh, der zwar im harten Praxistest erstklassig abgeschnitten hat, nicht besser als "befriedigend" sein, wenn er voller problematischer Substanzen steckt.

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