Testverfahren
Der Einkauf: Ein Schreibtischstuhl - als Synonym für einen Dreh- oder Multifunktionsstuhl - für Kinder und Jugendliche darf nicht der Gesundheit schaden und muss robust sein. Wir haben die Preisspanne weit gefasst. Von den zehn eingekauften Produkten kostete das billigste 26,90 Euro, das teuerste 464,55 Euro.
Der Praxistest: Ein Schreibtischstuhl muss sich gut auf die individuellen Körpereigenschaften eines Kindes abstimmen lassen können. Außerdem müssen die Stühle sicher sein, das heißt, sie dürfen weder unter dem Gewicht eines Kindes zusammenbrechen, noch beim Versuch sich draufzusetzen nach hinten wegrollen. Nach vorne oder hinten umkippen dürfen sie natürlich auch nicht. Um diese Gefahren für jeden Stuhl auszumachen, haben wir sie im Labor etlichen Prüfungen unterzogen, teilweise sogar strenger, als in der Norm vorgegeben. Außerdem haben unsere Experten das Polster, Quetschstellen für Finger und Füße sowie die verschiedenen Einstellmöglichkeiten der Stühle unter die Lupe genommen. Weil es kein für alle Stühle gleichermaßen geltendes, normiertes Testverfahren gibt, haben wir unsere Prüfung aus diversen Einzelnormen (darunter die DIN EN 1729 für Stühle in Bildungseinrichtungen sowie die DIN EN 1335 für Büro-Arbeitsstühle) zusammengestellt. Da besonders die Prüfverfahren, mit denen sich die Hersteller ein GS- oder TÜV-Siegel bestätigen lassen, möglicherweise nicht bei allen Stühlen gleich sind (Stichwort: variable Größenklassen), haben wir die Sicherheit aller Stühle nach den strengeren Vorgaben der DIN EN 1335 testen lassen.
Die Schadstoffe: Besonders im Sommer brüten Kinder häufig in kurzer Hose und T-Shirt über ihren Hausaufgaben. Weil ihre Haut dabei in Kontakt mit dem Stoffbezug kommen kann, wollten wir wissen, welche problematischen Inhaltsstoffe im Bezug und im Polster stecken. Unsere Erfahrung aus früheren Tests hat gezeigt, dass in den Textilien sensibilisierende Farbstoffe und verbotene Azo-Farbstoffe sowie halogenorganische Verbindungen enthalten sein können, von denen einige Allergien und sogar Krebs auslösen können.
Die Bewertung: Der Schadstofftest und der Praxistest mit Prüfungen zur Ergonomie, Handhabung und Sicherheit der Schreibtischstühle fließen zu je 50 Prozent in das Gesamturteil ein. Fällt ein Stuhl in dem Teilbereich Sicherheit mit "ungenügend" durch, kann er auch im Gesamturteil nicht besser abschneiden.
Bewertungslegende
Bewertung Testergebnis Praxisprüfung: Das Testergebnis Praxisprüfung setzt sich zusammen aus den Teilergebnissen Handhabung (10 Prozent), Ergonomie (40 Prozent) und Sicherheit (50 Prozent). Es kann nicht besser sein als "ungenügend", wenn das Teilergebnis Sicherheit "ungenügend" ist. Expertenurteile liegt eine fünfstufige Skala zugrunde: 1 = schlechtestes bis 5 = bestes Ergebnis. Unter dem Teilergebnis Handhabung führt zur Abwertung um vier Noten: Prüfung Scheuerbeständigkeit "nicht bestanden". Zur Abwertung um zwei Noten führt: Prüfung der Scheuerbeständigkeit ergab "deutliche Farbveränderungen". Zur Abwertung jeweils um eine Note führen: a) Aufbau "schwierig" (im Expertenurteil weniger als 2,5 Punkte. Der Wert setzt sich zusammen aus der Bewertung der Bereiche Intuitivität und Montage. Es wird kaufmännisch gerundet. Wird ein Stuhl in einem der beiden Bereiche mit nur 1 Punkt bewertet, kann der Aufbau insgesamt nicht besser als "schwierig" bewertet werden); b) eine fehlende Verstellbarkeit der Sitztiefe; c) eine fehlende Verstellbarkeit der Rückenlehne. Unter dem Teilergebnis Ergonomie führen zur Abwertung jeweils um eine Note: a) Lage der Beckenrandabstützung "nicht optimal" (weniger als vier Punkte im Expertenurteil); b) Nutzungsmöglichkeit des oberen Lehnenbereichs "nicht optimal" (weniger als vier Punkte im Expertenurteil; c) Gefahr des Durchsitzens; d) Hohlraum unter dem Sitzfl ächenpolster und/oder Hohlraum unter dem Sitzfl ächenbezugsstoff . Unter dem Teilergebnis Sicherheit führen zur Abwertung um jeweils vier Noten: a) in der Prüfung der Kippsicherheit kippte der Stuhl "nach vornüber", "nach hintenüber" oder "nach vorn und nach hintenüber"; b) Quetschgefahr "erhöht" (im Expertenurteil identifi zierte und mit zwei oder weniger Punkten bewertete Gefahren von Quetsch- und Scherstellen). Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) Prüfung Rollwiderstand "nicht bestanden"; b) Quetschgefahr "leicht erhöht" (im Expertenurteil identifi zierte und mit drei Punkten bewertete Gefahren von Quetsch- und Scherstellen).
Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um vier Noten: ein "stark erhöhter" Gehalt von mehr als 1.000 mg/kg einer oder mehrerer in Spielzeug und Babyartikeln, die in den Mund genommen werden, ab mehr als 0,1 Masseprozent verbotener Phthalatverbindungen (hier: Diisononylphthalat [DINP]). Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) ein "erhöhter" Gehalt von mehr als 100 bis 1.000 mg/kg einer oder mehrerer in Spielzeug und Babyartikeln, die in den Mund genommen werden, ab mehr als 0,1 Masseprozent verbotener Phthalatverbindungen (hier: DINP); b) ein "stark erhöhter" Gehalt von mehr als 1.000 mg/kg phosphororganischer Verbindungen (hier: Tris[2-chlorisopropyl]phosphat [TCPP], Tris[1,3-dichlorisopropyl]phosphat [TDCPP]). Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein "erhöhter" Gehalt von 10 bis 1.000 mg/kg phosphororganischer Verbindungen (hier: TDCPP, TCPP, Triphenylphosphat [TPhP]); b) halogenorganische Verbindungen, sofern nicht bereits eine Abwertung wegen phosphororganischer Verbindungen erfolgte; c) optische Aufheller in Materialien mit Hautkontakt; d) mehr als 10 mg/kg Phenol (Migrat); e) mehr als 1 mg/kg Antimon; f) mehr als 1.000 mg/kg eines oder mehrerer Ersatzweichmacher (hier: Di[2-ethylhexyl]terephthalat [DEHT]), sofern nicht schon eine Abwertung wegen Phthalaten erfolgte.
Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um zwei Noten: Nonyl phenolethoxylate. Zur Abwertung um eine Note führt: optische Aufheller in Materialien ohne Hautkontakt.
In das Gesamturteil gehen das Testergebnis Inhaltsstoffe und das Testergebnis Praxisprüfung zu jeweils 50 Prozent ein. Es wird kaufmännisch gerundet. Das Gesamturteil kann nicht besser sein als "ungenügend", wenn das Testergebnis Praxisprüfung "ungenügend" ist. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" oder "ausreichend" ist, verschlechtert das Testergebnis Inhaltsstoffe um eine Note.
Testmethoden
Testmethoden Inhaltsstoffe: Halogenorganische Verbindungen: Probe wird mit Reinstwasser in der Soxhlet-Apparatur eluiert; Binden der organischen Halogene an Aktivkohle, Verbrennung der Aktivkohle im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts (untersucht: Stoffbezug). Aromatische Amine/Azo-Farbstoffe: Prüfung auf Amine nach reduktiver Spaltung, Analytik entsprechend § 64 LFGB 82.02-2, Prüfung mit ohne vorherige Extraktion DIN EN 14362-1 (Januar 2013); bei Hinweisen auf 4-Aminoazobenzol zusätzliche Prüfung entsprechend § 64 LFGB 82.02-15 DIN EN 14362-3 (September 2012); Bestimmungsgrenze: 5 mg/kg; GC/MS, Dünnschichtchromatografie; zusätzliche Prüfung auf Anilin und Xylidine. Dispersionsfarbstoffe: Analytik entsprechend § 64 LFGB 82.02-10 Norm DIN 54231 (November 2005); Dünnschichtchromatografie, TLC und HPLC mit DAD (UV/Vis-Detektor) (untersucht: Stoffbezug). Optische Aufheller: qualitativer Nachweis (UV-Licht) (untersucht in einer Mischprobe bestehend aus Polster und Stoffbezug sowie in Einzelproben). Nonylphenolethoxylate: LC-MS/MS nach Extraktion (untersucht in einer Mischprobe bestehend aus Polster und Stoffbezug). Weichmacher, Ersatzweichmacher und phosphororganische sowie phenolische Verbindungen (untersucht in einer Mischprobe bestehend aus Polster und Stoffbezug): GC/MS nach Extraktion und Derivatisierung; Phenolmigration in Anlehnung an DIN EN 71-10:2006; Messung von Phenolen mittels HPLC-FLD. (untersucht in einer Mischprobe bestehend aus Polster und Stoffbezug). Antimon: Elution von Schwermetallen mittels saurer Schweißlösung; Elementbestimmung mittels ICP-MS (untersucht wurden ausgewählte Produkte mit Materialien mit Polyesteranteil in einer Mischprobe bestehend aus Polster und Stoffbezug).
Testmethoden Praxistest: Allgemein: Beurteilungen von Experten und Versuchspersonen auf einer fünfstufigen Skala: 1 = schlechtestes bis 5 = bestes Ergebnis. Gewicht: Ermittelt anhand Analysewaage (Genauigkeit von 50 Gramm). Aufbau und Montage: Benötigte Zeit für den Aufbau, Bewertung: < 2 min = 5 Punkte, 2 min bis 5 min = 4 Punkte, 5 min bis 10 min = 3 Punkte und > 10 min = 2 Punkte. Ergonomie und Sitzen: Geprüft nach DIN EN 1729-1. Ansprechverhalten Gasdruckfeder: Prüfung mittels einer Universalmaterialprüfmaschine. Bei einer Vorschubgeschwindigkleit von 200 mm/min wurde ein Druckstempel nach DIN EN 1335-3 in das Sitzpolster bei gleichzeitiger Betätigung des Sitzflächenhöhenverstellmechanismus eingedrückt. Handhabung: Stellteile: Prüfung der Stellkraft mittels Trägerfrequenzmessverstärker und einer 500-Newton-Kraftmessdose (HBM). Bewertung der Kräfte für die Höhenverstellung: Kraft < 40 N = 5 Punkte, Kraft > 40 N = 4 Punkte. Sitzkomfort: Druckverteilung: Härteeinstufung nach Kraft-Weg-Diagramm, Einsinktiefe bei 250 N, kleiner Sitzdruckstempel nach DIN EN 1335-3 5.4. Polsterkennlinie: Kraft-Weg-Diagramm aufgezeichnet anhand eines kalottenförmigen Eindrückstempels Typ XIII (165 mm Durchmesser) nach DIN 53 579 bei einer Vorkraft von 1 N und einer Vorschubgeschwindigkeit von 50 mm/min. Sicherheit: Überprüfung des Rollwiderstandes des unbelasteten Stuhles nach DIN EN 1335-2, scharfe Ecken und Kanten in Anlehnung an DIN EN 1335-2, Quetsch- und Scherstellen in Anlehnung an DIN EN 1335-2, Kippen über die vordere Ecke nach DIN EN 1335-2 7.1.1, Kippen nach hinten bei Stühlen ohne neigbare Rückenlehne in nach DIN EN 1335-2 7.1.6. Bewertung der Kippsicherheit über die Rückenlehne: Kraft < 192 N = nicht bestanden, Kraft > 192 N = bestanden. Bewertung der Kraft für das Kippen bei einer Belastung von 500 N: Kraft > 140 N = 5 Punkte, 110 bis 140 N = 4 Punkte, 80 bis 109 N = 3 Punkte, 50 bis 79 N = 2 Punkte, < 50 N = 1 Punkt. Dauerhaltbarkeit: Wegrollwiderstand des unbelasteten Stuhles nach DIN EN 1335-3 7.4, Bewertung: Kraft <12 N = nicht bestanden, Kraft >12 N = bestanden. Schlagprüfung der Sitzfläche in Anlehnung an DIN EN 1729-25.3.7 (300 mm Fallhöhe), Stempel nach DIN EN 1728. Scheuerbeständigkeitsprüfung nach DIN EN ISO12947-2 bzw. DIN EN 14465 Annex mit 20.000 Scheuertouren.
Einkauf der Testprodukte: Mai/Juni 2015
Diesen Test haben wir bereits im Jahrbuch Kleinkinder 2016 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kleinkinder für 2017 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.
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