- Wir haben 19 rezeptfreie Arzneien von einem Pharmazieexperten begutachten lassen.
- Außerdem haben wir die Präparate ins Labor geschickt, um sie auf Schadstoffe zu untersuchen.
- Das Ergebnis: Nur zwei Produkte sind "sehr gut", fast die Hälfte fällt durch.
Mehr als jeder dritte Sportunfall ereignet sich beim Freizeitfußball, gefolgt von Skifahren und sonstigen Sportarten. Die häufigsten Verletzungen, für die private Sportunfall-Versicherer zahlen: Muskelfaser- und Bänderrisse, Zerrungen, Verrenkungen, Zerreißungen und Knochenbrüche.
Das Robert-Koch-Institut schätzt für 2014 bundesweit rund vier Millionen Freizeitunfälle. Wie gut helfen da Schmerzsalben, Schmerzcremes und Schmerzgele gegen Muskelschmerzen, Zerrungen oder rheumatische Beschwerden?
Wir haben 19 rezeptfreie Arzneien begutachten und testen lassen. Rund die Hälfte fällt durch: fünf Salben mit "ungenügend", vier mit "mangelhaft". Mit "sehr gut" zeichnen wir nur zwei Mittel aus.
Schmerzgel im Test: NSAR-Salben helfen
Neun getestete Salben enthalten jeweils Ibuprofen, Diclofenac, Felbinac, Etofenamat, Flufenaminsäure oder Piroxicam. Die Wirkstoffe zählen zu den nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) und enthalten deshalb kein Kortison.
"NSAR-Salben helfen sehr gut gegen akute Muskelschmerzen bei Verstauchungen, Verspannungen, Überlastungsverletzungen und rheumatischen Beschwerden", urteilt unser Berater Professor Manfred Schubert-Zsilavecz vom Institut für Pharmazeutische Chemie der Goethe-Universität Frankfurt.
Das verdeutlicht eine Metastudie der Cochrane Collaboration, einem Netz von Wissenschaftlern und Ärzten, aus dem Jahr 2015. Die Daten der 61 ausgewerteten Studien belegen zudem, dass die Salben ein deutlich niedrigeres Nebenwirkungsrisiko als NSAR-Tabletten besitzen. Denn von den Wirksubstanzen gelangt wesentlich weniger ins Blut.
Laut der Cochrane-Arbeit erwies sich Diclofenac noch vor Ibuprofen als am effektivsten, um Schmerzen lokal zu behandeln. Aber: Laut einer Studie im Auftrag des Umweltbundesamts von 2016 ist Diclofenac in 50 Ländern in auffallend hohen Konzentrationen in Oberflächengewässern nachweisbar. Dort kann die Arznei etwa Nieren und Kiemen von Fischen sowie Pflanzen schädigen.
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Schmerzsalben mit Cayennepfeffer im Test
Wirkstoffe auf Basis von Cayennepfeffer erweitern die Blutgefäße, sorgen so für ein Wärmegefühl im Gewebe und lindern Schmerzen. Auf diesen Wirkstoff setzen mehrere Cremes im Test. "Die Wirksamkeit solcher Arzneimittel bei Rheuma gilt als ausreichend belegt, nicht jedoch deren Anwendung bei Sportverletzungen", sagt Schubert-Zsilavecz.
In der Wärmecreme eines Herstellers sind sogar gleich zwei durchblutungsfördernde Wirkstoffe enthalten. Das ist leider kein Vorteil: Die Kombination erhöht vielmehr die Gefahr von Neben- und Wechselwirkungen.
Schmerzgel: Arnika-Salben nicht empfehlenswert
In vier Salben steckt Arnikatinktur. In vergangenen Tests haben wir den pflanzlichen Wirkstoff noch empfohlen. Wenige Studien wiesen darauf hin, dass er Entzündungen hemmt und Schmerzen dämpft. 2016 bewertete die Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) die Heilpflanze allerdings komplett neu.
"Der Einsatz von Arnika-Schmerzsalben lässt sich bis heute nicht durch Ergebnisse zeitgemäßer klinischer Studien begründen", fasst Schubert-Zsilavecz zusammen. Ihre Zulassung sei daher nur durch einen über 30-jährigen Einsatz in Arzneien gerechtfertigt.
Entzündungshemmende Salbe mit Beinwellwurzel
Genauso sieht es auch für den Beinwellwurzel-Fluidextrakt in einer der Schmerzsalben im Test aus: Unserem Gutachter zufolge weist eine brauchbare Studie auf einen möglichen schmerzstillenden und entzündungsmindernden Effekt hin. Laut aktueller EMA-Bewertung fehlen jedoch auch für diesen Extrakt ausreichend hochwertige Daten.
In den Schmerzsalben und Schmerzgelen von zwei Drogerieketten soll Campher alleine oder kombiniert mit Ethanol und ätherischen Ölen gegen Schmerzen helfen. Das ist zweifelhaft: "Mehr als ein oberflächlicher, kühlender Effekt nach dem Auftragen auf die Haut ist von solchen Präparaten nicht zu erwarten", stellt Professor Schubert-Zsilavecz klar.
Schmerzcreme im Test: Krebsverdächtige MOAH
In sechs Salbentuben wies das beauftragte Labor Paraffine nach. Sie integrieren sich nicht so mühelos ins Hautgleichgewicht wie die Bestandteile natürlicher Öle. Zudem wiesen die beauftragte Analytiker in drei Salben krebsverdächtige Mineralölkohlenwasserstoffe (MOAH) nach. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt für Kosmetika, dass bereits kleinste Mengen krebserregendes Potenzial haben können.
In zwei Produkten stieß das beauftragte Labor auf Duftstoffe, die Allergien auslösen können. In einer Arznei steckt zudem das allergisierende Terpen Delta-3-Caren, hautreizendes Natriumdodecylsulfat sowie bedenkliche Parabene. Letztere stehen im Verdacht, wie ein Hormon zu wirken. Eine solche Substanz ließ sich auch in einer anderen Schmerzcreme nachweisen.
Sportverletzungen: Das rät ÖKO-TEST
- Gehen Sie nach akuten Sportverletzungen möglichst rasch nach dem PECH-Prinzip vor: Pausieren, Eiskühlen, Compression mit elastischen Binden, über Herzhöhe hochlagern.
- Setzen Sie direkt nach Verletzungen keine durchblutungsfördernden Arzneien ein.
- Gele und Salben mit etwa Ibuprofen oder Flufenaminsäure lindern Schmerzen durch Zerrungen, Prellungen und Verstauchungen wirksam.
Wirkstoffe in Schmerzsalben & Schmerzgelen
Empfehlenswerte Wirkstoffe
- Daumen hoch: Ibuprofen, Etofenamat, Flufenaminsäure, Felbinac oder Piroxicam in Salben helfen, wenn Prellungen, Verstauchungen und Zerrungen quälen. Dass diese Wirkstoff gruppe Schmerzen lindert und Entzündungen hemmt, ist gut durch klinische Studien belegt.
- Auf die Haut aufgetragen, besitzen die Stoffe zudem ein deutlich geringeres Nebenwirkungsrisiko als in Tabletten. Wir empfehlen sie wegen möglicher Wechselwirkungen aber nur in Arzneien ohne weitere Wirksubstanzen.
Eingeschränkt empfehlenswerte Wirkstoffe
- Diclofenac-Salben helfen ebenfalls gut, Schmerzen stumpfer Freizeit- und Sportverletzungen und Rheuma zu lindern. Wir können den Wirkstoff allerdings nur eingeschränkt empfehlen, da er sich mittlerweile als Umweltproblem entpuppt.
- Auf Cayennepfeffer basierende Wirkstofie steigern die Durchblutung. Mit Capsaicin und Cayennepfeffer-Dickextrakt eingesalbtes Gewebe fühlt sich deshalb für einige Stunden erwärmt an und wird schmerzunempfindlicher. Studien bestätigen nur eine Linderung von rheumatischen Beschwerden durch diesen Effekt, nicht aber von Schmerzen bei Sportverletzungen. Die Salben im Test sind allerdings nicht zu empfehlen, da sie mit Schadstoffen belastet sind.
Nicht empfehlenswerte Wirkstoffe
- Von Nonivamid und Nicoboxil in Kombination müssen wir abraten. Der Wirkzusatz Nicoboxil bringt keinen Vorteil gegenüber Salben, in denen nur der chemische Capsaicin-Nachbau Nonivamid steckt. Im Gegenteil: Das Nebenwirkungsrisiko erhöht sich.
- Auch Arnikablütentinktur und Beinwellwurzel-Fluidextrakt sind nicht zu empfehlen. Es fehlen bis heute ausreichend wissenschaftliche Beweise, dass die pflanzlichen Wirkstoffe tatsächlich gegen Schmerzen und Entzündungen helfen.
- Von Salben mit Campher können Sie bestenfalls einen oberflächlichen Kühlungseffekt erwarten. Dieser wird meist durch zusätzlich enthaltenen Alkohol oder ätherische Öle erzielt, die auf der Haut verdunsten. Für einen Effekt dieser Stoffe gegen Muskelschmerzen oder etwa rheumatische Beschwerden fehlen aber überzeugende wissenschaftliche Beweise.
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