Cha Ryut!" Erwartungsvoll blicken zehn Augenpaare auf Taekwondo-Meister Bodo Winkler. Cha Ryut heißt auf Koreanisch so viel wie "Achtung, Konzentration!" Die Vier- bis Sechsjährigen stellen sich kerzengerade hin, korrigieren ihre Haltung, warten auf weitere Anweisungen ihres Trainers. Doch Bodo Winkler ist noch nicht ganz zufrieden: "Leon, dein Gürtel! Komm, ich helfe dir", sagt der durchtrainierte Mittvierziger und richtet dem kleinen Jungen den Gürtel seines weißen Anzugs.
Dann kann es losgehen. Mit ruhiger, fester Stimme gibt der Taekwondo-Meister seine Anweisungen: "Moa Sogi" (Grundstellung), "Ap Chagi" - synchron kicken die Kinder ihren rechten Fuß nach vorn, die Arme auf Schulterhöhe angewinkelt, und stoßen den Kampfschrei aus: "Kiap!" Bei einigen kommt er noch ein bisschen zögerlich und mit leisem Stimmchen, aber man sieht den Mädchen und Jungen an, wie stolz sie sind, Kampfsport zu machen und die fremden Begriffe zu verstehen.
"Echte Koreaner verstehen uns vermutlich nicht", schmunzelt Bodo Winkler. "Aber ich finde es wichtig, dass auch die Kinder schon von Anfang an bestimmte Begriffe, Riten und Abläufe unseres Sports lernen." Der Dresdner betreibt zusammen mit seiner Frau Heike das "Taekwon-do Dresden" - das Ehepaar hat sich vor fünf Jahren mit dieser Schule "einen Lebenstraum erfüllt". Dass die koreanische Kampfkunst weit mehr als nur Sport und Training ist, kann man schon von Weitem sehen: In Großbuchstaben stehen die Werte, die der Taekwondo-Meister seinen Schüler vermitteln will, auf dem Schaufenster seiner Schule: Höflichkeit, Geduld und Ausdauer, Integrität, Respekt, Fairness.
Doch so wichtig der charakterliche Aspekt beim Taekwondo ist - die meisten von Winklers Schülern kommen auch, um sich so richtig zu verausgaben. Sie müssen in der Schule oder oft schon im Kindergarten stillsitzen, verbringen viel Zeit vorm Computer oder Fernseher. "Der Bewegungsmangel macht sich schon früh bemerkbar", sagt Bodo Winkler, "viele haben motorische Defizite, können auf Anhieb weder einen Purzelbaum machen noch ein Rad schlagen. Hier genießen sie es, sich austoben zu können." Beim Taekwondo wird der ganze Körper geschult: Die festgelegten Bewegungsmuster (Hyongs), die den Kampf gegen einen imaginären Gegner symbolisieren, erfordern Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Reaktionsschnelligkeit.
Die Mütter von Malik und Ben erklären, warum sie die Jungs für eine Kampfsportart angemeldet haben. "Malik ist ein sehr ruhiges Kind, das sich viel gefallen lässt", sagt seine Mutter. "Taekwondo ist für ihn genau das Richtige: Da lernt er, sich selbst zu behaupten." Ben dagegen ist eher hyperaktiv und bewegungssüchtig. "Hier beim Training hat er viel Körpersensibilität und Disziplin entwickelt", meint seine Mutter. Ihr gefalle vor allem der ganzheitliche Ansatz bei den asiatischen Kampfkünsten.
Die Verbindung von körperlicher und geistiger Schulung ist gemeinsames Merkmal der fernöstlic...