Auch wer noch nie persönlich bei einer Verkaufsrunde dabei war, kennt sie: die adrett frisierte und geschminkte Avon-Beraterin. Im Wohnzimmer ihrer Kundinnen breitet sie ihre Schätze aus: Parfüms, Cremes, Lippenstifte, praktische Schminkutensilien und auch feine Wäsche und Schmuck. Sie berät und plaudert charmant, lockt mit Gratispröbchen und möchte natürlich vor allem eins: das Avon-Sortiment an die Frau bringen. Denn schließlich ist die Beraterin selbstständige Unternehmerin und muss die Produkte, die sie anpreist, zunächst selbst bei Avon erworben haben.
Avon unterhält den größten Direktvertrieb der Welt. In rund 100 Ländern sind insgesamt sechs Millionen Beraterinnen und Berater im Dienste Avons und der Schönheit unterwegs. Man muss sich vorstellen, dass jeder einzelne Einwohner des Bundeslandes Hessen Avon-Berater wäre, um die Dimensionen zu erfassen. Doch in einigen Ländern werden die feschen Damen und Herren bald nicht mehr an den Wohnungstüren klingeln, um die Marken Avon, Anew, Skin so soft, Advance Techniques und Mark vorzustellen. In Irland zum Beispiel, Vietnam und Südkorea. Aus wenig profitablen Märkten zieht sich Avon zurück, denn das Unternehmen muss die Kosten senken. Bis Ende 2015 sollen jährlich 400 Millionen US-Dollar (etwa 312 Millionen Euro) eingespart werden.
Der Direktvertrieb bleibt
Das hat Avon-Chefin Sheri McCoy verfügt. Zudem werden weltweit 1.500 Stellen abgebaut. Avon geht es nicht gut. 2012 fiel der Gesamtumsatz um fünf Prozent auf knapp elf Milliarden US-Dollar (8,6 Milliarden Euro). In Deutschland halbierte sich die Zahl der Avon-Kundinnen zwischen 2001 und 2011, wie eine Marktstudie von Bauer-Media zeigt.
Ein Kaufangebot der deutschen Milliardärsfamilie Reimann lehnte das amerikanische Unternehmen ab. Man will aus eigener Kraft wieder auf die Beine kommen. Dabei setzt der Hersteller von Schönheitsprodukten vor allem auf (vermeintliche) Qualität, Innovationskraft und seinen Ruf. Avon lebt von Mund-zu-Mund-Propaganda und gewährt eine extralange Widerrufsfrist, sollte die Kundin mit einem Produkt nicht hundertprozentig zufrieden sein. Ständig entwickeln die Avon-Labore in den USA neue Rezepturen und Produkte. Alle zwei Wochen wird in Amerika eine neue Verkaufskampagne aufgelegt, in den meisten anderen Vertriebsländern alle zwei bis vier Wochen. Kosmetika machen mit 72 Prozent den Löwenanteil des Verkaufs aus; außerdem vertreibt Avon Accessoires, Textilien und Einrichtungsgegenstände. In sämtlichen Produktbereichen herrscht an Wettbewerbern kein Mangel.
Frauen stärken
Kritiker halten außerdem das System des Verkaufs per Plauderstündchen für veraltet. Doch nur einmal in seiner Firmengeschichte arbeitete Avon mit einem Einzelhandelsmodell, als China 1998 den Direktvertrieb verbot. Als sich die chinesische Gesetzgebung wenige Jahre später änderte, sandte Avon auch im Reich der Mitte flugs wieder die mobilen Beraterinnen aus. Auch in Zukunf...