Mit 28 spuckte er Blut. Denn Sebastian Kneipp litt an Tuberkulose. Die Ärzte machten dem Theologiestudenten keine Hoffnung mehr. Lungenschwindsucht endete damals, Mitte des 19. Jahrhunderts, meistens tödlich. Doch der angehende Pfarrer überlebte. Weil er sich in die Donau stürzte. Die Tauchbäder im eiskalten Fluss waren kein Selbstmord, sondern machten den Todgeweihten wieder gesund. Nach seiner Heilung kurierte Kneipp nicht nur sich selbst weiter mit Güssen aus der Gießkanne und eisigen Bädern. Er behandelte auch Studienkollegen und später, als Beichtvater des Klosters in Wörishofen, jeden, der zu ihm kam. Bis zu 300 Kranke waren es in Spitzenzeiten täglich; alle suchten sie Rat beim "Wasserdoktor", dem sein guter Ruf durch ganz Europa voraneilte.
Die Wirksamkeit seiner Ansätze ist heute auch von der Schulmedizin anerkannt. Die Heilkraft des Wassers wird immer noch in Bad Wörishofen oder in einem der weiteren 66 Kneipp-Kurorte in Deutschland zelebriert. Doch warum ziert das Profil des Geistlichen auch das Logo der Kosmetikmarke Kneipp? Der Grundstein für diese Verbindung wurde 1891 gelegt.
Das Erbe ist heute Geschäft
In jenem Jahr 1891 war der 70-jährige Kneipp ein Meister der Naturheilkunde, unterwegs auf Vortragsreisen durch mehrere Länder Europas und Autor der Erfolgsbücher So sollt ihr leben und Meine Wasserkur, die bis heute nachgedruckt werden. Hunderte Ärzte kamen, um seinen Rat einzuholen, er kurierte Erzherzog Joseph von Österreich ebenso wie 1894 Papst Leo XIII. in Rom. Das Vermächtnis seiner langjährigen Studien aber legte er 1891 in die Hände seines Freundes und Mitstreiters Leonhard Oberhäußer. Der Würzburger Apotheker teilte mit Kneipp die Begeisterung für naturheilkundliche Heilmethoden. "Ausgehend von natürlichen Pflanzenessenzen und anderen reinen Inhaltsstoffen schufen sie jene Rezepturen, die noch heute die Basis der Kneipp-Produkte darstellen", schreiben die Kneipp-Werke stolz in ihrer Selbstdarstellung. Der Blick in die Inhaltsstoffliste einzelner Produkte verrät jedoch: Von der natürlichen Basis mit ihren reinen Inhaltsstoffen hat sich manche Creme recht weit entfernt.
Naturkosmetik im Blick
Das Erbe Kneipps ist heute vor allem ein Geschäft. Und das nicht nur in Bad Wörishofen, wo jedes Jahr viele Millionen Euro Umsatz mit Kneippkuren gemacht werden. Auch die Kneipp-Werke leben gut von der Erinnerung an die Heilkraft des Wasserdoktors. 100 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet das Unternehmen, das eine hundertprozentige Tochter der Firma Hartmann ist, eines Herstellers von Medizin- und Pflegeprodukten. Hauptsitz der Kneipp-Werke ist Würzburg. Die Produktion erfolgt im 20 Kilometer entfernten Ochsenfurt, wo es auch einen Fabrikladen gibt. Dagegen wurde 2013 der Traditionsstandort der Kneipp-Werke in Bad Wörishofen abgewickelt - aus wirtschaftlichen Gründen. Die Führung des Kneipp-Bundes, des Dachverbands der deutschen Kneipp-Vereine, kritisierte die Sta...